Jesus Christus spricht: Seid Barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Liebe Leserinnen und Leser!
Als ich das erste Mal diese neue Jahreslosung las, dachte ich sofort: Was für eine tolle Jahreslosung! Mir geht bei dem Wort Barmherzigkeit immer so richtig das Herz auf. Und wenn wir in die Bibel schauen, dann ist an so vielen Stellen von der großen Barmherzigkeit und Liebe Gottes die Rede, dass es einem so richtig warm ums Herz werden kann, wie z.B. bei Ps. 103,8: Barmherzig und Gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Oder bei der wunderschönen Geschichte vom barmherzigen Vater, der den Versager von Sohn bedingungslos wieder aufnimmt und ihm alles vergibt.
Sind wir nicht oft eher wie der ältere Sohn, der lieber Gerechtigkeit statt Barmherzigkeit möchte und von Gott fordert? Das ist doch kein gerechter Vater, der seinem Sohn das durchgehen läßt und ihn sogar noch mit einem großen Fest und dem für einen ganz besonderen Anlass gemästeten Ochsen belohnt. Da begehren doch auch wir auf und sagen: Das ist nun aber wirklich zu viel des Guten. Das Nötigste an Kleidung und Essen hätt´s auch getan. Man sollte den Burschen schon spüren lassen, dass das nicht so ganz in Ordung war, was er sich da geleistet hat.
Doch, sagt Jesus, so ist Gott! Wenn wir zu ihm zurückkehren, wann und wie auch immer, mit wie viel Schuld auch immer beladen: Er nimmt uns an und vergibt uns, was auch immer wir getan haben – wenn wir seine Vergebung annehmen.
Wer möchte nicht gerne von solcher Barmherzigkeit und Gnade umhüllt werden, auch wenn er mal das Gefühl hat, es gar nicht zu verdienen?
Unsere Jahreslosung dieses neue Jahr 2021 ist allerdings nicht so harmlos und kuschelig, wie es auf den ersten Blick scheint. Sie will uns da ansprechen, wo wir gerade wie der ältere Sohn in Jesu Gleichnis die scheinbare Ungerechtigkeit des Vaters, die Ungerechtigkeit Gottes kritisieren.
Die ganze Feldrede von Lukas 6 – aus der unsere Jahreslosung genommen ist - ist, wie auch die ähnliche Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium, eine einzige Mahnung an gerade die frommen Menschen Israels, die für sich die große Barmherzigkeit Gottes in Anspruch nehmen, sie aber nicht denen gönnen, die schuldig geworden sind. Wir nennen es heute Pharisäertum. Nach aussen hin fromm tun, aber innerlich hartherzig und unbarmherzig sein.
Deshalb hört Jesus in der Rede gar nicht mehr auf, einen herausfordernden Imperativ nach dem anderen anzumahnen: Liebt eure Feine; Tut Gutes denen, die euch hassen; Gebt, wenn ihr um etwas gebeten wird; Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist; Und gleich danach: Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet; Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt und vergebt, so wird euch vergeben.
Hier sind wir zum konkreten Tun aufgefordert!
Bei dem Wort „unbarmherzig“ fallen mir immer Situationen von früher ein, wo z.B. Kinder von ihren Eltern und Lehrern erzieherisch perfekt aber total unbarmherzig behandelt worden sind. Vielleicht haben Sie das auch noch erlebt, von Eltern oder Lehrern geschlagen zu werden oder auch psychisch total fertig gemacht zu werden. Da blutet mir immer das Herz, wenn ich das in Filmen sehe oder in Büchern lese. Wie gut, dass sich da heute so viel geändert hat. Aber vielfach hat es Menschen auch hart gemacht: „Wieso soll es meinem Sohn besser ergehen als mir?“ Oder es fallen Sätze wie: „Eine Tracht Prügel hat noch keinem geschadet!“
Heißt barmherzig sein, alles durchgehen zu lassen? Unrecht nicht mehr Unrecht zu nennen? Ganz bestimmt nicht! Als Jesus sich weigerte, die Ehebrecherin zu steinigen, was nach dem Gesetz gefordert war, sagte er nicht: Schwamm drüber, mach fröhlich weiter, sondern: „Nimm die Vergebung an – aber sündige hinfort nicht weiter“. Barmherzigkeit hat er von ihren Anklägern gefordert: „Wenn Gott ihr vergeben kann, solltet ihr nicht mehr Richten als Gott. Wer von sich sagen kann, dass er noch nie in seinem Leben schuldig geworden ist und auf die Vergebung Gottes angewiesen ist, der darf gerne den ersten Stein werfen.“
In dem Gleichnis von dem verlorenen Sohn sagt auch der Vater zu dem älteren Sohn: Du bist doch immer bei mir und alles, was mir gehört, gehört doch auch dir. Freu dich, dass dein Bruder zurückgekommen und wieder bei uns ist. Es ist, als ob er von den Toten auferstanden ist.“ Jesus will uns deutlich machen: Wenn wir nicht barmherzig sind und anderen Schuld vergeben, können wir uns auch nicht an Gottes Vergebung und seiner Gegenwart erfreuen. Wenn wir unbarmherzig sind, tun wir nicht nur dem anderen etwas Schlimmes an, sondern auch uns selbst. Wir nehmen uns die Lebensfreude! Kennen Sie noch den Almöhi aus der Geschichte Heidi? Dieser griesgrämige alte Mann ist vereinsamt und aller Lebensfreude beraubt, weil er sich weigerte, zu vergeben. Erst Heidi hat es in ihrer fröhlichen Art geschafft, das Herz dieses verbitterten Mannes zu erweichen und ihn dazu bewegt, zu vergeben und damit auch sein eigenes Leben von der Erbitterung und Freudlosigkeit zu befreien. Manchmal brauchen wir Hilfe, um zu erkennen, bei welchen Menschen wir nicht bereit sind, barmherzig und vergebungsbereit zu sein.
Das wünsche ich uns für dieses neue Jahr 2021, dass nichts zwischen uns und Gottes großer Liebe und Freude steht: Dass wir die Kraft haben, alle „alten Geschichten“ aufzuarbeiten und durch bermherziges Vergeben auszuräumen; dass wir den Mut haben, auf die zuzugehen, mit denen wir schon „lange nicht mehr reden“. Und auch, dass wir Menschen haben, die uns helfen zu erkennen, wo es an uns ist, den ersten Schritt zu tun und vielleicht auch selbst einen Anderen um Vergebung zu bitten.
Das vergangene Jahr 2020 hat uns deutlich gemacht, wie fragil unser Leben ist und wie schnell es vorbei sein kann. Um so mehr Grund, nichts auf die lange Bank zu schieben, schon gar nicht Dinge, die in Familie, Nachbarschaft oder wo auch immer geklärt werden sollten, damit wirklicher Friede und wahre Freude einkehren kann. Möge die Jahreslosung für 2021 zu einem Leitvers unseres ganzen Lebens werden: „Seid barmherzig, so wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist.“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes Neues Jahr!
Sieglinde Quick